Da der letzte Starkwind uns in die Bücherwagen gefahren war, hat er ein paar Krimis zu unverkäuflich ondulierten Exemplaren werden lassen, und die habe ich gelesen, damit sie wenigstens noch zu etwas gut waren. Einer davon stammt von dem deutschen Autor Michael Thode, und der hat Jura studiert, was sich erfreulich bemerkbar macht. Erfreulich deshalb, weil ich anders als bei vielen deutschen Kriminalromanen nicht beklagen muß, dass der Strafprozess grausam falsch dargestellt wird. Gegen Ende gibt es dann doch ein paar Abweichungen, die ich dem Autor allerdings verzeihe, weil sie ganz offenbar der Dramaturgie geschuldet sind – sei´s also drum. „Schuld seid Ihr“ ist nicht nur der Titel des Buches, sondern auch das Motiv des Täters, der sich auf einen fulminanten Rachefeldzug begibt und der Ermittler braucht eine Weile, bis er merkt, dass die Opfer alle etwas gemeinsam haben: Sie waren beteiligt an einem Strafprozeß, als Polizisten, als Schöffen, als Psychologen. Entgegen so mancher Geschichte, in denen die Polizisten am Ende auf wundersame Weise eine Erleuchtung haben, wird der Leser hier langsam, aber nicht im geringsten langweilig, an der mühsamen Ermittlung beteiligt, fast wie im richtigen Leben, und die Spur legen Tarotkarten, die der Täter bei seinen Opfern zurückläßt. Ein wirklich gut konstruierter Plot, ohne lose Enden, und spannend obendrein.

Das zweite Wasseropfer ist „Atme!“ von Judith Merchant. Hier beginnt alles damit, dass Nile (nein, nicht „Nele“, Nile) mit ihrem Freund Ben ihr Hochzeitskleid aussuchen will. Sie probiert es gerade in der Umkleidekabine an, während er auf sie wartet, und als sie es ihm vorführen möchte, ist er weg. Nun mögen es bekanntlich nicht alle Männer, in Boutiquen auf ihre Freundin warten zu müssen, aber Ben ist ein perfekter Mann, zugewandt, sensibel, verständnisvoll, gut aussehend – der Traummann eben, auf den sie immer gewartet hat. Der es vor allem versteht, sie zu beruhigen, wenn wieder einmal eine ihrer Panikattacken beginnen.

Die Polizei tut erst einmal nichts, denn offenbar verschwinden eine Menge Männer aus Boutiquen, also wendet sich Nile an Ben´s von ihm getrennt lebende Frau Flo, die als Ehefrau glaubwürdiger ist und ihr dann tatsächlich hilft, den Verlorenen wiederzufinden. Und bei der gemeinsamen Suche kommen Erkenntnisse ans Licht, die vermuten lassen, dass Ben vielleicht doch Grund hatte, sich vor Nile eine Weile zu verstecken, vor ihrer Eifersucht, ihrem Drang, ihn mit Haut und Haaren zu besitzen…

Amazon würde sagen: ein Buch für Freunde von „Girl on the train“ oder „Woman in cabin 10“ – echtes Psychokino.