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Capricho

In Corona-Zeiten ist die Sehnsucht, auf´s Land zu ziehen, ungebrochen, und solange man nicht Reisen kann, eröffnen uns eine Menge Neuerscheinungen die Möglichkeit, wenigstens in Gedanken dorthin zu fliehen, wo man sonst gerne Urlaub gemacht hat.

Beat Sterchi führt uns in seinem Buch „Capricho“ ins Dreiländereck zwischen Aragon, Südkatalonien und Valencia, auf´s recht entlegenes Gebiet: karge Äcker, Bruchsteinmauern, Steinböcke und ab und zu ein Adler.

Capricho meint eigentlich eine Laune, ein sinnloses und daher besonders erfreuliches Erlebnis, aber auch eine Stilübung – und Letzteres trifft auf das Buch durchaus zu. Wer jemals in der Lage war, eine irgendwie mit Schreiben verbundene Arbeit zu Ende bringen zu müssen, kennt die Ausweichmanö-ver, denen man dann frönt: Wohnung putzen, Schreibtisch aufräumen, Spazierengehen, anderes Papier kaufen oder einen neuen Füller – Beat Sterchi geht in seinen Garten und gräbt ihn um, weil er, der eigentlich landwirtschaftlich recht Ahnungslose, Gemüse pflanzen will.

Dieses Unterfangen beschert ihm sehr viel Kommunikation, da jeder der alten Dorfbewohner – Junge gibt es dort eigentlich nicht mehr – ihm mit sehr gutem Rat in seine Bemühungen hineinredet. Oder sie belächelt.

Es ist ein stilles, sehr entschleunigendes Buch, das ich durchaus jedem empfehlen kann, nur ein Aspekt irritiert mich doch ein wenig, da ich die Gegend recht gut kenne, in der Sterchis Garten liegt.

Der Autor lebt dort wohl schon recht lange und ist offensichtlich des Spanischen mächtig. Wann immer er kann, begibt er sich aus seinem Dorf nach Morella in die Buchhandlung, immer kauft er „El País“ und „La Vanguardia“, und auch ein Werk von Josep Pla, den man als katalanisches Nationalheiligtum bezeichnen könnte (und bei dem die Katalanen gerne vergessen, dass er sich unter Franco durchaus ein kommodes Plätzchen eingerichtet hatte). Aus der Ferne kann er  La Horta de San Joan liegen sehen, wo Picasso den Kubismus entdeckt hat, einen Ort, dessen Besuch ich jedem nur ans Herz legen kann. Wir sind also, wie eingangs schon erwähnt, mitten im valencianisch-katalanischen Sprachgebiet. Wer mich kennt, weiß, dass ich nicht gerade ein Freund der katalanischen Separatisten bin, und auch die Bestrebungen nicht schätze, die spanische Sprache zu unterdrücken, aber hier muß ich nun doch eine Bresche für die Gegend und ihre heimatliches Idiom schlagen.

Der Autor streut sehr viele spanische Sätze in seinen Text, aber in dem ganzen Buch kommt kein einziges katalanisches Wort vor, kein valencianischer Name. Alle auftretenden Personen heißen Ramón, José Antonio, Pilar und Aureliano – kein einziger Jordi, kein Miquel, kein Joan. Sehr seltsam! Das Castillo heißt Castillo und nicht Castell, der Garten „huerto“ und nicht „hort“: je nun, es mag ja sein, dass in diesem Kaff wirklich alle nur spanisch reden oder die Freundlichkeit haben, den Fremden nicht zu überfordern - aber vorstellen kann ich es mir, ehrlich gesagt, nicht.

Und wenn man schon meint, dem deutschsprachigen Leser dauernd spanische Sätze präsentieren zu müssen, um die Authentizität zu heben, wogegen ja nichts zu sagen ist, dann sollten die Sätze auch wirklich authentisch sein. Aber das sind sie nicht. Zumindest eine Anmerkung wäre hilfreich gewesen!

Dass ausgerechnet ich also jetzt gezwungen bin, für die hardcore-Katalanen die Fahne zu schwingen, nehme ich dem Autor ein wenig übel.

Aber das Buch ist trotzdem schön. Vor allem für die, die einen steinigen Garten ihr Eigen nennen.

 

Ein Sommer in meinem Garten
Einband: Leinen
EAN: 9783257071177
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