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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783552053335
Sprache: Deutsch
Umfang: 256 S.
Format (T/L/B): 2.3 x 21 x 13.2 cm
Einband: gebundenes Buch

Beschreibung

Menschen, die den Zauber von Worten hören, die aufeinander zugehen und sich selbst im anderen wiederfinden wollen; beginnende Beziehungen, flüchtig, unerfüllt und mit offenem Ausgang; abgründige Verhältnisse, phantastische Träume, vage Hoffnungen - davon handeln die knapp 50 Prosastücke dieses Buches, dem es mit dem ersten Satz gelingt, unser Herz zu fassen. "Maramba" zeigt das atemraubende Talent einer jungen Schriftstellerin, die schrecklicher nicht hätte enden können. 2003 verunglückte die 21jährige Paula Köhlmeier bei einer Bergwanderung tödlich.

Autorenportrait

Monika Helfer, geboren 1947 in Au/Bregenzerwald, lebt als Schriftstellerin mit ihrer Familie in Vorarlberg. Sie hat zahlreiche Romane, Erzählungen und Kinderbücher veröffentlicht. Für ihre Arbeiten wurde sie unter anderem mit dem Österreichischen Würdigungspreis für Literatur, dem Solothurner Literaturpreis und dem Johann-Peter-Hebel-Preis ausgezeichnet. Mit ihrem Roman Schau mich an, wenn ich mit dir rede (2017) war sie für den Deutschen Buchpreis nominiert. Für Die Bagage (Roman, 2020) erhielt sie den Schubart-Literaturpreis 2021 der Stadt Aalen. Zuletzt erschienen von ihr bei Hanser die Romane Vati (2021), mit dem sie erneut für den Deutschen Buchpreis nominiert war, und Löwenherz (2022).

Leseprobe

Tagebuch einer Verrückten Ich habe vor drei Jahren geheiratet. Einen Mann mit großen Händen und richtigen Gedanken. Richtige Gedanken passen in eine Schublade. Die Schublade sieht von außen wie von innen ordentlich aus. Sein Kopf ist nach Bereichen sortiert: Arbeit, keine Arbeit, Frau. Nie verirrt sich ein Gedanke in einen falschen Bereich. Das ist natürlich eine Übertreibung. Ich übertreibe immer und automatisch. Das sagen mein Mann, mein Arzt und ich. Wir haben ein goldenes Türschild mit Silberschrift. Tauber ist unser Name. Ich putze das Türschild einmal im Monat. Das ist mein Beitrag zu unserer Ehe. Mein Mann war zwölf, als sein Vater gestorben ist. Für seine Mutter war das die Vertreibung aus dem Paradies. Mein Mann hat seine Mutter wieder aufgeblasen, nachdem sie platt auf dem Boden lag. »Es war schwierig, aber ich habe uns repariert«, sagt mein Mann. Sein Vater war Bauer. Mein Mann verkaufte den Hof, schaffte neues Geld auf die Bank, und seine Mutter steckte sich im Frühling wieder Blumen in die Haare. Mein Mann ist ein Mechaniker für kaputte Seelen. Er hatte ein hartes Leben und ist heute glücklich. Ich hatte kein hartes Leben und bin heute unglücklich. Am Tag bin ich allein. Ich versuche, lange zu schlafen, damit der Tag kürzer ist. Ich rauche im Bett Zigaretten und trinke viel schwarzen Kaffee. Ich vermisse meinen Mann nicht, wenn er weg ist. Ich rufe ihn nicht an, wenn er sich verspätet. Allein gehe ich durch die Wohnung. Ich brauche fünf Minuten, wenn ich langsam durch alle Zimmer gehe. Das ist meine Zeit. Fünf Minuten für eine Zigarette. Fünf Minuten für meinen Rundgang. Das sind zusammen zehn Minuten. So vergeht meine Zeit. Ich koche nicht. Wir leisten es uns, essen zu gehen. Wir haben genug Geld. Das ist unser Glück. Wir sind glücklich. Mein Mann sagt: »Wir sind glücklich«, und ich verlasse mich auf das Glück. Ich bin froh, daß er sich darum kümmert. Ich habe wenige Wünsche. Ich sage nie: »Nein«. Weil ich nicht weiß, was ich nicht möchte. Ich sage nie aus Überzeugung: »Ja«. Ich bin ein Mitläufer. Heute, früher bei meinen Eltern und in der Schule. Ich wasche gern meine Haare. Meine Haare sind lang und schön. Männer wollen meine Haare angreifen, und ich sage nicht nein. Ich kämme sie vor dem Fenster. Meine Gedanken sind sorgfältig verpackt in meinem Kopf, aber sie kommen ungeordnet aus meinem Mund. Meine Gedanken sind wie ein Fallschirmspringer, der nicht springen will. Ich habe Angst vor zuviel. Ich habe Angst vor zu wenig, und mein Kopf meint, es gibt nichts dazwischen. Dann weine ich. Am liebsten allein. Ohne Grund. So eine Eigenschaft ist furchtbar. Ich nehme Tabletten gegen zu viele Gedanken. Mein Mann bringt mir die Tabletten. Mein Mann liest die Packungsbeilage. Mein Mann spricht mit einem Arzt. Der Arzt und mein Mann sagen, daß die Tabletten gut für mich sind. Seit einem halben Jahr hat mein Mann eine Geliebte. Eine große Frau mit dicken Haaren und breiten Hüften. Volksschullehrerin. Eine Frau, die den Kindern sagt, daß sie nicht über vorgezeichnete Linien hinaus malen dürfen, und die Kinder, die es doch tun, zum Psychologen schickt. Mein Mann sagte: »Ich habe eine Geliebte.« Ich stand in der Küche und dachte: Scheiße, jetzt muß ich etwas tun. Ich lag zwei Tage im Bett. Am dritten Tag kam sie uns besuchen. Sie hatte einen festen Händedruck. Sie heißt Susanne Knopf. »Wir sind doch erwachsene Menschen«, sagte mein Mann. Er kochte Spaghetti mit Tomatensauce. Susanne Knopf schnitt das Gemüse. Ich lag im Bett. Sie lachten in der Küche. Ich war das Kind. Meine Eltern waren Leseprobe

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